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Was ist disziplin? Dieses wort,
welches im kindesalter vollkommen unbekannt ist, wird je nach
alter, berufstand und geschlecht verschiedenartig interpretiert.
Spätestens mit dem zu ende gehenden teenageralter erfahren
die meisten jungmänner dieses leid in den kasernen - immer
noch besser, als an kriegschauplätzen. |
Auch für autofahrer beiderlei
geschlechts ist dieses wort von großer wichtigkeit und
meistens auch selbstverständlichkeit. Umso mehr wird über
jene ignoranten von gesetz und ordnung geschimpft, welche sich
nicht an diese regeln der disziplin halten. 'Wo hast du den führerschein
gewonnen?' ist ein bekanntes zitat unbekannten ursprungs und
weist den übeltäter auf seine unkorrekte fahrweise
hin. |
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"Ernst, wo hast du denn
deinen tauchschein gewonnen?" Damit war ich gemeint. Es
waren die ersten worte, welche Petra nach diesem spektakulären
tauchgang zu mir sprach. Sie war immer noch wütend auf unsere
lässige tauchweise, und ich war ihr opfer.
Ich fühlte mich nicht
ganz unschuldig. Aber immerhin bin ich ein erwachsener mensch
und letztendes für mein verhalten selbst verantwortlich.
Das bedeutet aber nicht, daß jeder erwachsene tun und lassen
kann, was er will, denn es gibt besonders beim tauchen regeln
der disziplin, was den kontakt und die verständigung mit
dem tauchpartner betrifft. Besonders die verständigung ist
unter wasser - abgesehen von der internationalen zeichensprache
- meistens schwierig und führt oft zu mißverständnissen.
Beidem folgenden gespräch
zwischen Petra und mir kamen nun einige unterschiedliche interessensstandpunkte
zu tage. Eine touristisch orientierte tauchbasis - es gibt eigentlich
nur solche - ist bemüht, den besuchern in der knappen urlaubszeit
möglichst viel zu bieten, das heißt, ihnen eine repräsentative
fülle von tauchplätzen zu zeigen. Es werden daher die
tauchgänge so geplant und durchgeführt, dass während
dieser einen stunde unter wasser möglichst viel zu sehen
ist.
"An und für sich
ist das ja in ordnung", meinte ich, "aber ich will
gar nicht so viel sehen."
Petra sah mich etwas erstaunt an. "Wie stellst du dir einen
tauchgang vor?", fragte sie. Ich erzählte ihr, daß
es für mich nicht wichtig ist, was ich fotografiere, sondern
wie. Diese weisheit wurde mir bei einem fotokurs des bekannten
oberösterreichischen fotografen konsulent Hoff, beigebracht.
Bei diesem sehr lehrreichen kurs mußten die teilnehmer
einen baum fotografieren. Einen ganz gewöhnlichen alten
apfelbaum. |
Wie dieser baum fotografiert
werden soll, konnte jeder kursteilnehmer selbst entscheiden.
Der arme baum wurde arg unter beschuß verschiedenster linsenkaliber
genommen. Ein teilnehmer kletterte sogar hinauf und machte ein
foto von der baumkrone mit einem fish-eye objektiv. Es war letztendes
das interessanteste bild, hatte aber für dessen entstehung
am längsten gedauert.
"Da hast du aber beim
tauchen kein problem überall leicht hinzukommen.",
meinte Petra. "Ja, aber es dauert trotzdem länger,
als nur im vorbeitauchen auf den kameraauslöser zu drücken.",
erwiderte ich.
"Aber dafür einen verständnisvollen tauchpartner
zu finden, ist sicher nicht leicht.", sagte sie und traf
damit den nagel auf den kopf.
Natürlich konnte Petra
die tauchgänge nicht nach meinen speziellen wünschen
durchführen, und ich erwartete dies ebensowenig. Dazu kommt
noch daß die schwierigkeit eines tauchganges auf grund
der erfahrung der tauchführer und der bootsmannschaft zwar
abschätzbar ist, aber wegen der - besonders auf den malediven
- oft wechselnden stömungen unter wasser gibt es immer wieder
geänderte verhältnisse. Deshalb ist das zusammenbleiben
der tauchpartner und auch der ganzen tauchgruppe besonders wichtig.
Nach dieser moralpredigt wechselte
Petra das gesprächsthema und erzählte mir einiges aus
dem alltagsleben eines tauchführers.
"Du hast ja keine ahnung, was sich hinter den kulissen abspielt."
Jetzt war ich es, welcher erstaunt blickte. Was meinte Petra
wohl damit? Eigentlich ist die folgende feststellung logisch
und einfach zu verstehen und hat den ursprung im weltweit gültigem
gesetz von angebot und nachfrage. |
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Die malediven sind sicher
eines der schönsten tauchgebiete auf der erde. Jedoch ist
die aufnahmekapazität der inseln gering und die damit verbundene
infrastruktut und versorgung wegen der verstreuten insellage
schwierig. Die behörden der malediven wissen ganz genau,
daß diese nachfrage nur dann erhalten bleiben kann, wenn
auch die qualität der tauchplätze erhalten bleibt.
Aus diesem grund gibt es für die tauchbasen sehr strenge
auflagen in bezug auf die durchführung und sicherheit der
tauchgänge. Eine ständig vorhandene kontrollmannschaft
durch einheimische bedienstete beobachtet und überwacht
das tauchgeschehen.
Dazu kommt noch, daß
normalerweise tauchbasislizenzen nur für ein bis drei jahre
erteilt werden. Danach werden die karten neu gemischt, und den
zuschlag für die begehrte lizenz erhält der bestbieter.
Natürlich sind dabei auch orientalische geschäftsbräuche
an der tagesordnung. Allerdings halten sich auch die malediver
an abgeschlossene verträge, können diese aber bei verstößen
jederzeit kündigen.
"Was sind denn beispielsweise
arge verstöße?", fragte ich neugierig. Petra
erzählte, daß manchmal gäste bei den tauchsafaris
alkohol an bord schmuggeln, noch dazu im islamischen fastenmonat
ramadan. Oder es passiert, daß tauchgäste am bootsdeck
nackt in der sonne liegen. Es sind in unseren augen eher kleinigkeiten,
welche aber in islamischen ländern nicht toleriert werden.
Die folge davon kann eine sofortige entlassung jenes tauchführers
sein, welcher diese 'kleinigkeit' nicht verhindert hat. |
"Das hat zwar alles nichts
mit deiner abstrakten tauchweise zu tun, aber du mußt verstehen,
daß disziplin viele gesichter haben kann." Mit diesem
lehrreichen satz beendete Petra unsere unterhaltung. War ich
denn wirklich so undiszipliniert, dachte ich und erforschte mein
gewissen.
Tags darauf, nach einen wunderschönen
tauchgang in größeren, aber noch erlaubten tiefen,
knöpfte sich Petra meinen tauchfreund Gerd vor.
"Zeige mir bitte deinen tauchcomputer", bat sie ihn.
Etwas verlegen überreichte ihr Gerd das gewünschte
objekt. Aha, ich wußte schon, was jetzt kam. Nach meinen
sündenfall vom Vortag mußte ich diesen tauchgang mit
Petra absolvieren. Gerd wurde einer anderen gruppe zugeteilt.
Auf grund meiner 'abstrakten' tauchweise mußten Petra und
ich wieder als erste auftauchen. Danach blieb Petra noch im wasser
und erwartete die restlichen tauchfreunde. Als letzter stieg
Gerd hoch. Er hatte zwar noch reichlich luft, aber sein tauchcomputer
piepste verräterisch. Er war zu schnell aufgetaucht.
"Gerd, wo hast du denn
deinen tauchschein gewonnen?"
Übrigens, Petra war in ihrem beruf stewardesse bei der lufthansa
und hatte dadurch viel erfahrung und übung im umgang mit
undisziplinierten menschen. |