der baron
 

Mensch und technik gehören zusammen!

Diese und ähnliche ausdruckstarken und naturmordenden sätze werden in den letzten jahren dieses jahrtausends oft zitiert. Wahrscheinlich um den bereits stagnierenden massenkonsum an high-tech unnötigkeiten aufrechtzuerhalten.

Aber haben mensch und technik überhaupt etwas gemeinsam? Ich behaupte ja doch, denn beide individuen sind vergänglich. So ging beispielsweise zu beginn des zwanzigsten jahrhunderts der europäische adel unter dem einfluß des ersten weltkrieges unter. Baronesse und baron hatten ausgedient. Auch der "baron Gautsch".

Somit ist es gelungen den reigen dieser wortspielerei zu schließen und die richtigkeit des ersten satzes zu beweisen.

Daß menschen andere menschen verfluchen, ist leider eine unsitte, welche aber schon seit Adam und Eva existiert. Daß menschen die technik verfluchen, ist normal. Zumindest dann, wenn nach der periode einer anfänglichen euphorie gewisse tücken der technik zutagetreten.

So waren wir bei diesem aufenthalt in kroatien über die vielzahl der neu installierten telefonzellen angenehm überrascht. Man will doch im urlaub doch nicht auf das technische existenzminimum verzichten! Noch mehr überraschte uns die feststellung, daß es durchwegs kartentelefone waren. Münztelefone gab es fast nirgends mehr.

Super! Keine sorgen mehr wegen des lästigen kleingeldes, welches früher für die gespräche in unsere heimat kiloweise notwendig war. Wir kauften also so ein begehrtes plastikkärtchen und konnten damit endlich länger telefonieren.

Leider taten das auch die anderen leute. Und das ist der fluch dieser segensreichen erfindung! Da in kroatien telefongespräche sehr billig waren, wurden die neuen telefonhäuschen von den menschen geradezu gestürmt. Früher ließ sich die gesprächsdauer des vordermannes durch den blick auf den dahinschmelzenden münzhaufen leicht abschätzen. Aber wenn nun die anzeige des kartenguthabens nach einer minute von neunhundertneunundneunzig auf neunhundertachtundneunzig sinkt, resigniert der geduldigste mensch.

 

 

"Ich fahre morgen auf den friedhof und besuche den baron." sagte ich eines tages.
"Hast du einen baron gekannt?" fragten ungläubig die kinder.
Herlinde lachte, denn sie wußte ja, was mit meinem friedhofbesuch gemeint war. Außerdem wollte ich endlich unsere beiden freunde Sergej und Mira besuchen. Beide waren während der ferien in der fauchbasis einer ferienanlage nahe rovinj beschäftigt. Also mußte ich mit dem auto dorthin fahren und noch vor neun uhr in der tauchbasis ankommen.

Am nächsten morgen läutete der wecker um fünf uhr früh. Ich bin von natur aus kein frühaufsteher und schon gar nicht im urlaub. Aber dieses mal war es eine ausnahme. Vorsichtig, ganz vorsichtig erhob ich mich. Ja, meinem kreuz ging es schon wieder viel besser. Um halb sechs uhr fuhr ich von malinska ab. Es war samstag. Dementsprechend wenig war auch der verkehr auf der ansonst viel befahrenen straße nach rijeka. Diese stadt lag zu dieser zeit noch im dornröschenschlaf. In nur fünfzehn minuten hatte ich sie durchquert. An werktagen benötigt man für die gleiche strecke fast eine stunde. Wenig befahren war auch die autobahn richtung pula. Nach einer stunde fahrzeit befand ich mich bereits mitten im bergland von istrien. Irgendwo auf dieser strecke war die abzweigung richtung rovinj. Die folgenden straßen schlängelten sich in wohlbekannter weise mäanderförmig über viele hügel, und die fahrt darüber dauerte entsprechend länger. Trotzdem war es erst halb acht uhr, als der hohe stadtturm von rovinj majestätisch am horizont auftauchte. Auch die straße zur ferienanlage villas rubin, in der die tauchstation lag, fand ich ohne probleme, und um viertel vor acht uhr morgens erreichte ich mein reiseziel.

Auch hier war es zu dieser stunde noch sehr ruhig. Die tauchbasis war verschlossen, und so schaute ich mich ein wenig herum. Die ersten frühaufsteher saßen an den restauranttischen und genossen ihr frühstück. Eigentlich hatte ich heute noch gar nicht gefrühstückt. Unterwegs verspeiste ich die letzten reste der familienschatzkiste in form von vier schokoriegeln. Aber diese einseitige ernährung machte durstig. So ging ich schnurstracks zum buffet, um eine tasse kaffee zu kaufen. Angenehm überraschte mich, daß ich dafür nichts zu bezahlen brauchte. Doch nach dem ersten schluck wurde mir klar, warum es diesen nichtösterreichischen frühstückskaffee gratis gab.

Nach diesem magenschonenden frühstück ging ich wieder zur tauchbasis, in der sich mittlerweile einige leute befanden. Ich blickte herum, konnte aber nirgends Sergej oder Mira entdecken. Mittlerweile überlegte ich, wie die beiden überhaupt aussahen. Immerhin hatte ich sie drei jahre nicht mehr gesehen, und mein personengedächtnis ist nicht gerade überragend gut. Plötzlich hörte ich meinen namen rufen. Es war Mira.
"Welcome in Croatia!" rief sie.
Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Ein fröhliches, sommersprossenbedecktes gesicht lachte mich an. Auch ich war erfreut sie gesund zu sehen. Nach den üblichen fragen und antworten über dieses und jenes fragte ich nach Sergej.
" Oh, he is suffering on a bad toothache."

Nach einer weile kam auch Sergej. Auch mit ihm gab es die gleiche begrüßungszeremonie. Ich fragte ihn, ob er während der politischen unruhen einen militärdienst machen mußte. Doch er lachte.
"Not for students!" war die logische erklärung.
Aber studieren wollten er und Mira ohnehin.

Sergej erzählte nun ausführlich von seiner entdeckung des schiffswracks vom baron Gautsch. Nein, schätze wurden leider keine gefunden, dafür aber fast vollständig gedeckte tische des ehemaligen luxusschiffes. Auch die speisekarte des für diesen unglückstag vorgesehenen diners. Offensichtlich fand diese katastrophe unmittelbar vor dem bevorstehenden abendessen statt. So wurde am dreizehnten august 1994, also genau achtzig jahre danach, bei einer internationalen feierlichkeit anläßlich der wiederentdeckung dieses schiffes, das diner mit originalgeschirr und -besteck mit den speisen gemäß der erhaltenen menükarte nachgeholt.
"It has been the most beautiful day in my life!" sagte Sergej.
Das glaube ich ihm gerne.

Natürlich hatte die entdeckung des wracks der tauchbasis, welche seinem vater gehörte, großen aufschwung gegeben. Sozusagen als finderlohn erhielt die tauchbasis die erlaubnis, geführte tauchgänge zu dem wrack durchzuführen. Dazu kam noch der umstand, dass das wrack in einer militärischen sperrzone liegt, in welchem nur wenige eine offizielle taucherlaubnis erhalten. Entsprechend groß war auch der internationale andrang.

Natürlich wollte auch ich den baron Gautsch besichtigen.
"Have you got a two star diver?" wollte Sergej von mir wissen.
Aha, das kleingedruckte! In einem prospekt über die tauchgänge zum "baron" las ich sehr wohl, daß die besucher eine fortgeschrittene taucherausbildung nachweisen müssen. Da ich mich bisher nur mit einem "stern" zufrieden gegeben hatte, fragte ich Sergej ausweichend nach den besonderen schwierigkeiten dieses tauchganges. Es war vor allem die tiefe von vierzig meter. Die erlaubte tauchtiefe für "one-star-diver" unter konzessionierter führung beträgt nur dreißig meter. Außerdem gab es dort wechselnde unterwasserströmung.
"And the water is very cold!" sagte abschließend Sergej.

Das hatte mir gerade noch gefehlt! Ich mußte mich sehr beherrschen, meine begeisterte gesichtsmimik beizubehalten. Mira lachte, als sie die erlösenden worte sprach:
"I'll go with you!"
Mir fiel ein stein vom herzen!

Mittlerweile wurde es neun uhr. Ich und neun weitere taucher, sowie drei tauchführer, schleppten die ausrüstung zum nahen boot. Sergej mußte wegen seiner unpäßlichkeit mit den zähnen zurückbleiben. Das boot war eigentlich eine hochseejacht und machte einen sehr komfortablen eindruck.
"We've got it two weeks before." sagte Mira stolz.
Vorher dauerte diese fahrt zum wrack eineinhalb stunden. Dieses schnellboot brauchte nur die halbe zeit. Mir war es ein rätsel, wie der kapitän dieses ziel in form einer kleinen boje mitten auf dem offenen meer, bei halben meter hohen wellen finden konnte. Die antwort darauf hieß satellitennavigation. Die technik macht's möglich!

 
 

Am zielort wehte ein leichter wind. An der straff gespannten befestigungsleine zwischen boje und boot war die starke meeresströmung zu erkennen. Dafür hatte der wellengang etwas nachgelassen. Die tauchführer begannen nun den gästen den bevorstehenden tauchgang zu erklären. Das geschah in drei sprachen: kroatisch, englisch und italienisch. Ich wußte bereits dank der unterhaltung mit Mira, was auf mich zukommen wird. Dieses mal war kein vorzeitiger rückzieher möglich, und ich hatte mich psychisch schon darauf eingestellt.

Nun begann die erste tauchgruppe mit dem abstieg. Nach dem sprung in das bewegte wasser mußte schnell eine halteleine ergriffen werden, sonst bestand die gefahr eines abtreibens durch die strömung. An dieser führungsleine zogen sich die taucher bis zur boje um dort abzutauchen. mira und ich sprangen als letzte in das wasser. Glücklicherweise übernahm Mira den kameratransport bis zum abtauchen, denn für das vorwärtsziehen gegen die strömung benötigte ich als "nichtpriviligierter" beide hände. An der boje angekommen, beeilten wir uns mit dem abtauchen.

Vorher mußte ich noch die total beschlagene tauchmaske ausspülen. Dazu benötigt man beide hände. Also umklammerte ich mit den beinen die ankerkette der boje und spülte die maske wieder klar. Endlich konnten wir abtauchen. Mit einer hand drückte ich das entlüftungsventil der tarierweste, die andere hand umklammerte die ankerkette. Unter wasser war es endlich etwas ruhiger. Jedoch wurde die ankerkette der boje durch den zug des daran befestigten bootes ordentlich hin und her gerissen.

In zehn meter tiefe konnte ich mich endlich entspannen. Mira war unmittelbar über mir. Die kamera! Gott sei dank, Mira hielt sie fest in ihrer hand. Wie konnte sie eigentlich dieses schwierige kunststück des abtauchens mit nur einer hand bewerkstelligen? Ich spülte unter wasser noch einmal die mittlerweile wieder beschlagene tauchmaske aus, dann übernahm ich die kamera. Alles funktionierte noch an ihr. Ich blickte nach unten. Das tiefblaue wasser verspürte den ersten hauch von kälte. Unter mir sah ich einige taucher entlang der ankerkette in die ungewisse tiefe verschwinden. Vom "baron" war weit und breit noch nichts zu sehen. Mira hatte mir vorher erzählt, daß das oberste deck auf etwa achtundzwanzig Meter tiefe liegt und ab zwanzig meter zu sehen ist.

Also weiter abwärts! In fünfzehn meter tiefe machte ich eine psychobilanz. Es war schon etwas unheimlich. Die sicht betrug wegen des leider nicht ganz sauberen wassers nur etwa acht meter. Dieses mal war es kein plankton, welches die sicht trübte. Es war einfach dreck! Die nähe zur industrie- und hafenstadt pula machte sich hier deutlich bemerkbar. Und mitten in dieser brühe glitt ich an der mit algen verschmutzten ankerkette, schwerlos wie im unendlichen weltraum, nach unten. Meine hoffnung auf spektakuläre fotos sank von meter zu meter. In zwanzig meter tiefe spürte ich bereits die zunehmende kälte des wassers. Mein blick irrte ständig zwischen dem bodenlosen abgrund, tiefenmesser und Mira hin und her.

Plötzlich, wie durch einen vorhang weggezogen, verschwand der schmutz im wasser. Und dann sah ich es! Das wrack des baron Gautsch! 

 

 

Es war ein ehrfürchtiger und erhebender anblick. Rings unter mir wurden die ersten schemenhaften umrisse des einst so stolzen und adeligen luxusschiffes sichtbar. In der ferne lösten sich diese schwachen konturen im tiefen blau des ozeans auf. Mit jedem meter tiefe wurden die konturen schärfer. Es war, wie wenn ein geisterbild gestalt annimmt. Oder wie wenn auf einem dieser neumodischen dreidimensionalen bilder die darin verborgenen gegenstände erscheinen. Ich konnte mich an dieser faszination nicht genug satt sehen.

Wie mußte wohl Sergej gefühlt haben, als er diese entdeckung machte!
"My heart was jumping up and down!" hatte er während unseres gespräches an land erzählt.
Auch ich fühlte mein herz schlagen, welches den blutkreislauf in wallung brachte. Ich spürte keine kälte mehr. Im gegenteil, mir wurde in diesen augenblicken so warm, daß die taumaske erneut beschlug. Das ausspülen der maske wurde bei diesem tauchgang zur routinesache.

Mira löste sich von der ankerkette und forderte mich auf, ihr zu folgen. Wasserströmung gab es hier in fünfundzwanzig meter tiefe nicht mehr. Wir tauchten noch einige meter weiter hinab, entlang des gerade am meeresboden stehenden wracks. Es war mein erstes wrack, und ich hatte keine ahnung, wo hier vorne und hinten war. Inzwischen verschwanden die ersten taucher bereits im inneren des schiffes. Auch wir tauchten nun durch eine türe und befanden uns in der steuerkabine.

Ich wollte endlich fotos machen. Zu meinem schrecken mußte ich feststellen, daß die innenseite des kameragehäuses ebenfalls beschlagen war. Zumindest das sucherfenster. Die objektivscheibe schien klar zu sein. Also machte ich die aufnahmen auf gut glück.

Zum fotografieren waren die verhältnisse nicht besonders gut. Ohne Blitz war hier in fünfunddreißig meter tiefe nicht genügend natürliches licht vorhanden. Und Fotos mit blitz wollte ich wegen des vorprogrammierten "schneefalls" durch die dabei angeleuchteten schwebeteilchen vermeiden.

Nach dem besuch der steuerkabine tauchten wir entlang der reling bei den runden kajütenfenster vorbei. Unwillkürlich hielt ich mich an dem geländer fest und ließ meine hand sofort wieder los. Die achtzig jahre sind an dem wrack nicht spurlos vorübergegangen. Eine dicke wolke aus rost und staub löste sich von dem eisenrohr. Es fiel mir auf, daß die sicht wieder etwas schlechter geworden war. Immerhin wirbelten zwölf taucher in und um das wrack herum, und jede berührung, wenn auch unabsichtlich, ließen neue wolken entstehen.

Ich betrachtete das stahlskelett des "baron" genauer. Fast vollständig war die äußere oberfläche mit schwämmen und robustem, kälteunempfindlichem bewuchs überzogen. Auch einige fische schwammen umher, welche aber vor dem massenansturm sofort flüchteten. Sie sind die nähe von menschen noch nicht so gewohnt wie in den vielbetauchten gebieten des roten meeres oder anderen plätzen.

Mira führte mich noch in einige räume im inneren des wracks, von denen ich nur vermuten konnte, welche bedeutung sie ursprünglich hatten. Geschickt und ohne berührung des wracks tauchte sie durch türen und fenster. Auch ich versuchte, mich möglichst umweltschonend zu bewegen. Am meisten faszinierte mich der blick nach oben. Die Wasseroberfläche war in dieser tiefe nicht zu sehen, doch deren Helligkeit leuchtete wie ein fluoreszierendes licht herab.

Vor diesem licht hoben sich die schiffsmasten und schornsteine als schwarze silhuetten ab. Mira deutete auf die uhr. Das ende der besuchszeit schien angebrochen zu sein. Wehmütig nahm ich abschied vom "baron" und versprach innerlich ein wiedersehen. Zum Abschluß zeigte mir Mira noch den schornstein. Ich leuchtete mit der lampe hinein. Erschrocken schwammen schnell einige fische davon.

 

 

Wir tauchten wieder zur ankerkette, welche den weg nach oben zeigte. Einige taucher waren schon am aufsteigen. Dieser vorgang erfolgte nun nach einem genauen zeitplan. Da unser aufenthalt in dieser tiefe länger dauerte als die "nullzeit", war eine gezielte dekompression erforderlich. Dadurch wurden unsere mit gelöstem gas gefüllten körper wieder entlüftet. Langsam stiegen wir auf achzehn meter hoch. Langsam entschwand auch wieder der "baron" aus unserem blickfeld. Wir waren wieder in der trüben meeresschicht angelangt, als die erste dekopause erfolgte. Natürlich hatte ich schon zu hause genau ausgerechnet, wie schnell oder wie langsam der aufstieg erfolgen darf. Es kam mir aber trotzdem ewig lange vor, als es weiter nach oben ging. Ich verfolgte die zeit ebenfalls mit meiner uhr. Aber dauern drei minuten wirklich so lange?

Die ankerkette kam wieder in bewegung. Auch die strömung wurde über zehn meter bemerkbar. Der einzige trost war das inzwischen wärmer gewordene wasser. Bei drei metern erfolgte die letzte dekopause. Inzwischen erkannte ich auch schon unser boot, welches im bewegten wasser hin und her schaukelte. Nach und nach stiegen die taucher an die wasseroberfläche hoch und verschwanden in richtung boot. Der einstieg erfolgte an der wind- und wellengeschützten rückseite des schiffes. Mira und ich hielten uns noch an der kette fest, wobei unsere füße von der strömung bedrohlich weggedrückt wurden.

Endlich gab Mira das zeichen zum auftauchen. Zögernd ließ ich meine hand von der kette los. Da packte Mira meinen arm und zog mich wie einen bewußtlosen hoch. Na ja, so übertreiben brauchte sie nun doch wieder nicht. Aber die strömung war nicht zu unterschätzen. Mit einer geschwindigkeit von einem halben meter in der sekunde trieb uns die strömung entlang des bootes an die einstiegstelle. Dort war ein langes halteseil befestigt, welches für abtreibende taucher als rettungsleine diente.

Auch ich nahm diesen dienst in anspruch und mußte mich entlang der leine vier meter zurück zum boot ziehen. Nahe der wasseroberfläche hing außen am boot eine sitzbank. Diese war zur zeit besetzt. Etwa eine minute mußten Mira und ich, an der rettungsleine hängend, auf einen freien platz warten. Endlich auf der bank angelangt, entledigten wir uns der schwimmflossen und konnten in das boot klettern.

Ich war etwas erschöpft. Aber auch die gesichter der anderen tauchfreunde waren nicht von frische gezeichnet. Jeder musterte jeden. Langsam löste sich die spannung von den strapazen der letzten stunde. Letztendes mußten wir alle lachen. Nun begann das große palaver in drei sprachen. Mira blickte mich fragend an. Ich mußte gestehen, daß dieser tauchgang für mich vielleicht nicht der schönste, jedenfalls aber der abenteuerlichste war. Die rückfahrt verging wie im flug. Viel zu schnell tauchte in der ferne wieder der majestätische turm von rovinj auf. Jetzt wurde es etwas hektisch. An land wartete schon die nächste tauchgruppe auf diese abenteuerfahrt.

In der tauchbasis holte ich versprochenes nach und rief Herlinde an:" Es ist alles in ordnung mit mir. Wie es meinem kreuz geht? Ach ja, ein bißchen spüre ich jetzt. Aber während des tauchganges habe ich wirklich keine zeit gehabt, daran zu denken. Spätestens um mitternacht werde ich wieder in unserem quartier sein."

Ich hatte Sergej und Mira abends zum essen eingeladen. Wir fuhren nach rovinj und besuchten eines der nobelsten restaurants dieser stadt. Bei ausgezeichnetem essen unterhielten wir uns über Gott und die liebe welt. Wir sprachen natürlich auch über den baron Gautsch. Diese entdeckung hatte die finanzielle grundlage und auch die zukunft der tauchbasis auf längere zeit gesichert. Doch es gab auch probleme. Beide befürchteten, daß durch diesen massenandrang an abenteuerlustigen tauchern das schiffswrack schneller zerstört werden wird, als durch den natürlichen verwitterungsvorgang unter wasser. Es gab zwar eine amtliche quotenregelung über den besuch des wracks, aber im sinne einer langlebigkeit dieser sehenswürdigkeit war diese Sergej und Mira noch zu hoch. Denn eine restaurierung oder renovierung des baron Gautsch ist unter wasser unmöglich.

Um neun uhr abends verließ ich die beiden mit dem versprechen, bald wiederzukommen. Bei der heimfahrt ließ ich im geiste diesen abenteuerlichen tauchgang noch einmal vorüberziehen. Zu spät bemerkte ich, daß ich mich verfahren hatte. Irgendwo mitten im bergland istriens hörte vor mir die straße auf zu existieren. Wo war ich denn um himmels willen gelandet? Ich hatte auch keine genaue straßenkarte bei mir, da ich ja das land ach so gut kannte. Meine letzte hoffnung war die antiquare gesamtkarte des ehemaligen jugoslawiens, welche ich für alle fälle doch noch eingepackt hatte. Jedenfalls mußte ich zurückfahren. Wegen meiner geistigen vergangenheitsbewältigung wußte ich aber bei einigen straßenkreuzungen nicht mehr, aus welcher richtung ich gekommen war. Durch den sternklaren himmel erkannte ich zumindest die himmelsrichtung. Natürlich fuhr ich durch einige orte, welche aber auf der großzügigen straßenkarte nicht eingetragen waren. Um mitternacht wollte ich zu hause sein.

Um mitternacht erreichte ich endlich die autobahn in richtung rijeka. Bei der nächsten raststätte blieb ich stehen. Gott sei dank gab es hier eine telefonzelle. Ganz neu stand sie, ein segen der technik, vor mir. Gleich darauf verfluchte ich sie, denn ich stellte fest, daß die ach so moderne telefonkarte zu hause lag. Unverrichteter dinge fuhr ich also weiter. Nichts behinderte mehr meine heimfahrt. Allerdings war in rijeka um ein uhr nachts der tag noch lange nicht zu ende. Ich steckte im Verkehrsstau.

Nach zwei uhr morgens erreichte ich endlich das tief schlafende feriendorf in malinska. Leise öffnete Herlinde die tür. Kein wort des vorwurfes kam von ihr. Beide waren wir froh, einander wiederzusehen. Todmüde sank ich in das bett.

In dieser nacht träumte ich von einem wunderbaren land. Schon in meiner kindheit träumte ich oft vom schwerlosen fliegen. Ich flog also in meinem traum über viele kleine inseln, mit palmen bewachsen und herrlichen stränden. Das wasser war klar, und viele exotische fische schwammen umher, welche ich bisher in dieser vielfalt noch nicht gesehen hatte. Sogar meine kamera funktionierte tadellos!

Am nächsten morgen beschloß ich diesen traum zu verwirklichen!
Dieses traumland existiert wirklich. Nächstes jahr fahre ich dorthin.

 

 © 2000 e.pokorny