land der berge
 

Jetzt ist mir der stoff ausgegangen, denken vielleicht viele leser dieses buches. Tatsächlich handelt dieses kapitel ausnahmsweise über wasser. Was hatte mich wohl veranlaßt, in diesem buch ein erlebnis in den bergen zu schreiben?

Nun, ich bin österreicher und freue mich, einer zu sein. Und österreich, so heißt es auch in einem lied, ist eben ein land der berge. Aufgewachsen in der stadt gänserndorf, im flachen marchfeld östlich von wien, sah ich berge in meinem leben erst mit vierzehn jahren. Doch dieser umstand hindert mich nicht daran, ab und zu auch einen berg zu besteigen. Oder zumindest nach der seilbahnauffahrt, diesen zu fuß hinunterzuwandern, was mitunter sogar anstrengender als der aufstieg ist.

Was hat dieses thema in einem buch über taucherlebnisse verloren? Nun, ich möchte es den lesern nicht vorenthalten, über mein abenteuerlichstes erlebnis auf der insel phi-phi zu berichten.

Ein erlebnis, bei dem sogar Reinhold Messner vor neid erblassen würde. Es war dies die besteigung des dschungelberges.

 

 

Am letzten tag vor dem abflug wollte ich nicht mehr tauchen. Daher überlegte ich, mit welchem ersatzvergnügen dieser freie tag ausgefüllt werden sollte. Da diese insel nicht sehr groß war, sozusagen eine geschickte größe hatte, wollte ich eine überquerung der kleinen hügelkette durchführen, welche die beiden großen badebuchten trennte. Eine überquerung des dschungelberges ganz im sinne der großen entdecker unserer weltgeschichte.

Na ja, ein berg im sinne der alpen war es nicht gerade, dieser vielleicht hundert meter hohe hügel. Als verantwortlicher familienvater wäre es mir aber nie im leben eingefallen, diese dschungeldurchquerung in der länge von etwa drei kilometer alleine durchzuführen. Es war das dortige touristenbüro, welches diese trekking-tour anbot. Natürlich mit führer.

Also ging ich zu dem freundlichen herrn am touristenschalter, erklärte ihm dreimal, daß ich österreicher und nicht australier bin und fragte nach dieser erlebnistour. Nun, dieser austria - australia witz ist vielleicht schon zu alt um darüber noch zu lächeln. Tatsächlich gab es aber sehr viele australische gäste auf der insel. Es dauerte eine weile, den einheimischen touristenmanager auf die existenz von österreich zu erinnern.

Der freundliche herr am touristenschalter war sehr erfreut, einen österreichischen gast begrüßen zu können und stammelte etwas von Mozart und Niki. Es kam eine kleine konversation zustande, dann fragte er mich, warum ich über diese hügel wandern wollte. Ein wenig wunderte mich seine frage schon. Er war es doch, welcher diese wanderung anbot! Ich erklärte ihm, die andere inselbucht erforschen zu wollen.

"Oh, it's better to take the taxi!" sagte er und meinte damit die vielen bootstaxis, welche diese fahrt im halsbrecherischen tempo durch die fluten durchführten.
Außerdem ginge es ja viel schneller, und im fahrpreis ist sogar noch ein lunch-paket mit einem kalten getränk enthalten. Dankend lehnte ich ab und fragte nach der eben hier angebotenen führung durch das landesinnere.
"Oh, it's really very very difficult!" waren seine bedenken.
Also allzu schwierig konnte der kleine spaziergang über diese hügel ja nicht sein. Der freundliche herr am touristenschalter entschuldigte den umstand damit, daß der bergführer auf urlaub sei. Meine frage nach einer wanderkarte ließ ihn den mund offenhalten, und so verabschiedete ich mich.

Also, ich war schon etwas verärgert! Da wird einem berghungrigen alpenländer eine gebirgswanderung angeboten, und der führer sonnt sich am strand. Ich blickte zu dem lächerlichen hügel. Es waren eigentlich zwei hügel durch einen sattel verbunden, alles grün in grün mit der üppigen tropischen vegetation. Eigentlich brauchte ich für diesen spaziergang gar keinen führer. Es war neun uhr vormittag. Höchstens eine stunde je strecke, kalkulierte ich. Und sollte es wegen der hitze doch zu anstrengend werden, konnte ich ja immer noch mit dem taxi zurückfahren.

So verließ ich alleine das mir bereits lieb gewonnene touristendorf mit seinen hohen schattenspendenden palmen und den netten, auf stützen aufgebauten holzbungalows. Die naturbelassene straße führte vorbei an den häusern der hotelangestellten. Es waren einfache, lieblos gemauerte, ebenerdige häuser mit kleinen fenstern und den wohlbekannten abstrakten dachverzierungen. Aha, es gab hier also doch fernseher!

Die straße verengte sich zu einem weg und führte in ein einheimisches dorf. In diesem "dorf" standen etwa dreißig wahllos im palmenwald verstreut einräumigen hütten mit naturboden. Die wände waren aus brettern und wellblech gezimmert, welche offensichtlich beim bau des touristendorfes übrigblieben. Freundlich lächelten die dorfbewohner. Ein junger mann kam auf mich zu und bot mir unbekannte exotische erfrischungen an. Dankend lehnte ich ab und fragte nach dem weg zur anderen Bucht. Da grinste er von einem ohr zum anderen und erwiderte mit exzellentem englisch:
"I'm a guide!"

Nanu, dachte ich, es wird doch nicht der beurlaubte bergführer vom touristenbüro sein! Auf meine frage, ob er den weg wirklich kenne, nickte er und versicherte, diesen dienst sogar gratis durchzuführen. Nun, mir konnte es recht sein. Mittlerweile hatte ich doch bedenken, diesen weg alleine durch diese wildnis zu finden.

Also zogen wir zu zweit entlang des fußes der hügelkette weiter. Ich musterte den voranschreitenden inselbewohner von kopf bis fuß. Es gab einige kleine unterschiede zu den einheimischen auf dem festland. Die inselbewohner waren noch freundlicher und einfacher gekleidet. Besonders an den füßen. Wer es sich leisten konnte, trug einfache plastiksandalen, der rest ging barfuß. Mein führer war offensichtlich nicht sehr bemittelt.

Die hügelkette wanderte langsam an uns vorbei. Eigentlich müßte jeden moment eine wegabzweigung über diese hügel in erscheinung treten. Vorsichtig fragte ich bei meinem führer danach. Aber er lächelte bloß. Nach weiteren zehn minuten wurde ich mißtrauisch. Außerdem fiel mir auf, daß sich mein bergführer im dorf überhaupt nicht verabschiedet hatte. Nochmals erklärte ich ihm, über die hügel wandern zu wollen.

Verwundert blieb er stehen und sah mich mit großen unschuldigen augen an.
"Oh, it's really very very difficult!"
Außerdem ist das bootstaxi wirklich sehr schnell, und der fahrpreis beinhaltet auch ein lunch-paket mit einem kalten getränk! Irgendwie bemerkte er meine verärgerung und versprach: "Two drinks for you!" Es gelang mir, freundlich zu bleiben, als ich für seine mühe dankte und mich verabschiedete. Enttäuscht blickte er mich an, wahrscheinlich wegen der entgangenen schlepperprämie und ging zurück in sein dorf.

Mittlerweile war bereits eine wertvolle stunde vergangen. Ich ging also alleine weiter, in der hoffnung, diese gut getarnte abzweigung doch noch zu finden. Nach einigen minuten erblickte ich zwischen den palmen einige häuser. Es waren nette holzbungalows, auf stützen stehend, mitten in einem schattenspendenden palmenwald. Nein, das darf doch nicht wahr sein! Dieser schlepper hatte mich in einem weiten bogen wieder zurück in das touristendorf gebracht. Tatsächlich sah ich auch schon den bootssteg mit diesen verdammten lunch-paket taxis.

 

 

Was hätte wohl Christoph Kolumbus an meiner stelle getan? Nicht aufgeben, dachte ich und begann meine wanderung zum zweiten mal.

Nach der durchquerung des antennenwaldes erreichte ich wieder das mir bereits bekannte inseldorf. Irgendwie war mein besuch bereits erwartet worden. Ich durchschritt ein spalier von lachenden kindern und teils freundlich, teils neugierig blickenden dorfbewohnern. Mein beurlaubter bergführer saß gemütlich bei seiner hütte und rief:
"Three drinks!"

Wo war der verdammte weg zu den hügeln! In diesen augenblicken bereute ich, daß meine kindheit ohne die lehrreiche pfadfinderausbildung vorübergegangen war. Angestrengt überlegte ich, wie wohl Old Shatterhand oder Tarzan immer den richtigen weg durch die wildnis fanden. Ach ja, man muß eben auf fußspuren und niedergetretene grashalme achten! Es gab aber hier verdammt viele niedergetretene grashalme.

Das dorf hinter mir war nicht mehr zu sehen. Vielleicht hatten die inselbewohner angst vor den bergen! Oder es gab darauf irgendwelche kultstätten, zu welchen fremde keinen zutritt hatten. Vielleicht gab es hier sogar wilde tiere! An diese mögliche gefahr hatte ich überhaupt noch nicht gedacht. Angestrengt lauschte ich nach irgend welchen geräuschen. Doch nicht einmal ein blätterrauschen der palmen war an diesem windstillen, heißen tag zu hören.

Wahrscheinlich gab es gar keinen richtigen weg über diese hügel. Vor diesen lag noch eine mit mannshohem gras bewachsene, etwa fünfzig meter breite fläche. Ich beschloß daher schnurstracks querfeldein meine entdeckungswanderung fortzusetzen. Nach wenigen schritten wurde der boden unter mir angenehm weich. Er wurde immer angenehmer, bis ich merkte, daß meine füße naß waren. Irgendwo quakte empört ein frosch. Oh gott, ich war in ein sumpfgebiet geraten! Zu tode erschrocken machte ich kehrt und beschloß diese unsinnige suche aufzugeben. Was kümmern mich denn diese berge im fernen thailand! Schließlich bin ich zum tauchen hergekommen. Also schluß mit der bergsteigerei, kehrt euch und marsch zurück.

Wohl oder übel mußte ich wieder durch mein geliebtes inseldorf. Schreiend und lachend begrüßten mich die kinder wie einen alten bekannten. Wenigstens von diesem dorf wollte ich ein paar erinnerungsfotos machen und suchte nach besonders typischen objekten.

Da hing auf einer hüttenwand eine große blechtafel mit einem riesigen waagerechten pfeil und noch größeren buchstaben: BEACH! Ich blieb wie vom blitz getroffen stehen und folgte der richtung des pfeiles. Es waren die hügel!

Verdammt noch einmal, warum hing diese tafel nicht auf der anderen seite der hütte! Zweimal bin ich also schon bei diesem wegweiser vorbeigewandert, ohne diesen zu bemerken, da der mensch bekanntlich hinten keine augen hat.

Endlich! Ich fühlte mich wie Christoph Kolumbus und begab mich auf den lange gesuchten, endlich gefundenen weg zu den götterbergen. Keine spur mehr von angst wegen wilder tiere, kultstätten und sümpfen. Allerdings eine erstüberquerung würde es nach diesem deutlichen hinweis nicht werden.

Der weg führte nun durch mannhohes gras leicht aufwärts - diesesmal mit trockenem boden. Ich durchschritt dieses dickicht und folgte nach pfadfinderart den niedergetretenen grashalmen. Nach etwa hundert metern lichtete sich diese steppe. Ich stand am fuße des götterberges! Voll stolz blickte ich zurück. Das panorama war nicht gerade überwältigend. Außer dem hohen palmenwald und den gräsern gab es nichts zu sehen. Ich tröstete mich mit der hoffnung auf einen besseren ausblick vom berggipfel.

Der weg wurde steiler und teilweise ziemlich felsig. Hoppala, fast wäre ich ausgerutscht! Diese felsen waren durchwegs spiegelglatt. Plötzlich wurde mir klar, warum die einheimischen diesen weg scheuten. Sie hatten keine ordentlichen schuhe dafür. Und diese brauchte man hier unbedingt. Doch ein alpenländischen gelegenheitsbergsteiger - wie ich - hat immer die nötige ausrüstung mit.

Vielleicht war ich doch zu gut ausgerüstet. Diese tropische hitze bewirkte ein stetiges schwitzen. Außerdem wurde der etwa zehn kilo schwere fotokoffer bei dieser kletterei lästig. Gott sei dank hatte ich das kamerastativ nicht mitgenommen! Nach zwanzig minuten kletterei wurde der anstieg wieder flacher, und ich durchquerte ein dichtes buschgestrüpp. Stellenweise war der weg nur mehr zu erahnen. Trotzdem machte es mir spaß, durch dieses unberührte fleckchen natur zu wandern. Wie lange mochte es wohl her sein, daß vor mir ein mensch diese abenteuerliche überquerung durchgeführt hatte? Waren es wochen, monate, jahre?

 

 

Das gestrüpp öffnete sich zu einer kleinen flachen lichtung. Offensichtlich hatte ich die paßhöhe mit dem dazugehörigen rastplatz erreicht. Einige herumliegende leere getränkedosen bewiesen, daß auch hier bereits die zivilisation vor nicht allzu langer zeit vorbeigezogen war. Ernüchternd machte ich zwischenbilanz von meiner ach so abenteuerlichen wanderung. Es war mittlerweile bereits mittag. Die sonne brannte senkrecht vom himmel auf mein unbedecktes haupt, und die leeren getränkedosen erweckten in mir leichtes durstgefühl. Leider hatte sich in meiner vollen fototasche kein Platz mehr für proviant gefunden. Die erhoffte panoramaaussicht war ebenfalls wegen gebüsch und hohem gras geschlossen. Als einzigen ausblick sah ich die zwei hügelgipfel mit gleichem dichtem tropenbewuchs.

Enttäuscht beschloß ich also auf den gipfelsturm zu verzichten und folgte dem nun bergab führenden weg. Dieser führte durch bereits bekanntes busch- und grasgestrüpp. Diese tropischen sträucher hatten durchwegs riesige blätter. Ich riß ein großes fächerartiges blatt von einem knorrig aussehenden busch ab und verwendete es entsprechend meinem gestiegenen kühlungsbedürfnis. Auf dieser hügelseite war das gelände nicht mehr so steil. Dafür wurde das gestrüpp immer dichter. Ich hatte große mühe dem eigentlich nicht mehr existierenden weg zu folgen. Endlich erreichte ich einen schattenspendenden palmenwald. Zwischen den palmen leuchtete auch schon die große meeresbucht hervor. Mein eigentliches wanderziel war eine große touristensiedlung am anderen ende der bucht. Das bedeutete noch eine zusätzliche küstenwanderung von etwa achthundert metern länge. Kurz vor dem ende des palmenwaldes machte ich eine kleine rast. Etwa dreißig meter über dem meer genoß ich dieses herrliche panorama.

Diese bucht war wirklich traumhaft schön. Fast im halbkreis angeordnet, lag ein fünf bis zehn meter breiter weißer, flacher sandstrand, welcher ohne abgrenzung und ohne klare linie in das meer überging. Hinter diesem schmalen sandgürtel erhoben sich mächtige, schwarze felsblöcke kreuz und quer, als wären sie von übermenschlichen wesen aufeinandergetürmt worden. Oberhalb dieser felswand stieg der palmenwald sanft zu den hügeln empor.

Tatsächlich ist die insel phi-phi vulkanischen ursprungs, was diese bizarre felsenformation bewies. Mein blick wanderte entlang der felsigen bucht bis zu dem touristendorf, welches ebenfalls in einem reizvollen palmenwald lag. Am strand stand ein kiosk, an welchem eine große fahne verführerisch im leichten wind hin- und herschwang. Die aufschrift auf dieser fahne war ein erfrischendes getränk mit vier buchstaben.

Das war leichter gesagt als gefunden! Beim aufstieg auf der anderen hügelseite wurden mir diese glatten felsen fast zum verhängnis. Stellenweise mußte ich meine hände zum festhalten benutzen. Aber seither waren zwei stunden vergangen und die temperatur entsprechend angestiegen. Endlich fand ich zwischen den felsen eine geeignete abstiegmöglichkeit. Ich zog meine socken aus, um damit meine hände vor den brennend heißen steinen zu schützen.

Auf zum endspurt! Ausgeruht von den strapazen der letzten zwei stunden, erhob ich mich ruckartig und mußte mich gleich wieder hinsetzen. Mir war leicht schwindlig. tropenhitze und flüssigkeitsdefizit erinnerten mich daran, daß ich nicht mehr dreißig war. In diesen breitengraden lernt man die mentalität der einheimischen zu schätzen und zu begreifen. Also schön gemütlich und langsam. Höchstens noch zwanzig minuten.

Nach wenigen metern erreichte ich den rand des palmenwaldes und damit auch das ende des bisher recht gemütlichen wanderweges. Es galt nun diese mächtigen schwarzen felsblöcke zwischen palmenwald und strand zu überqueren. Nach der angenehm leichten tropenfeuchte des waldes spürte ich plötzlich die backofenhitze der von der sonne aufgeheizten steine. Schwarze körper eignen sich besonders gut als wärmespeicher. Es war schier unmöglich, diese mit bloßer hand zu berühren. Stufen gab es auch keine. So mußte ich eine weile den waldrand entlang gehen, um eine geeignete stelle für den abstieg zu finden.So ging es langsam, zwischen den mindestens sechzig grad heißen felsen, schritt für schritt bergab. Zu meinem glück wehte vom meer her ein leichter wind, welcher diese hitze gerade noch erträglich machte. Mit einer hand stützte ich mich auf die felsen, die andere hand hielt die fototasche, welche ebenfalls die modefarbe schwarz hatte.

Einige male mußte ich umkehren und einen neuen weg suchen, denn große sprünge wollte ich auf dieser rutschbahn nicht riskieren. Wer weiß, wann hier wieder ein menschliches wesen vorbeikommen würde? Nach gut fünfzehn minuten hatte ich endlich den abstieg geschafft. Vor mir lag das schwer errungene, paradiesische ziel meiner wanderung! Nur noch ein letzter schritt, und ich stand im wasser. Verdammt noch mal, muß denn ausgerechnet jetzt die flut einsetzen? Aber es war mir auch so recht. Ich krempelte also die hosenbeine hoch, zog die schuhe aus und stülpte sie über die ohnehin schon sockenbezogenen hände. Dann stieg ich in das angenehm kühle wasser.

Ah, war das eine wohltat! Ich spürte förmlich, wie mein blutkreislauf wieder zu arbeiten begann. Der feine weiße quarzsand quoll zwischen die zehen und bewirkte zusätzlich eine angenehme fußmassage.

Vergessen waren all die strapazen, qualen und mühen dieser gebirgswanderung! Sogar der fotokoffer kam mir wieder leichter vor. Ich genoß jeden schritt dieser strandwanderung. Am meisten freute ich mich aber schon auf den kiosk mit der verführerisch wehenden fahne. Entfernung etwa vierhundert meter. Nichts konnte mich mehr aufhalten. Ich watete entlang der felsenwand teilweise im wasser, teilweise auf sandboden diese halbkreisförmige bucht dahin. Die sonne brannte in diesen halbkreis wie in einen parabolspiegel herab.

Auf dem vom wasser noch nicht bedeckten sandböden beeilten sich kleine krebse, ihre luftbunker zu graben. Dabei warfen sie den sand über sich und formten damit kleine höhlen für den luftvorrat bis zur nächsten ebbe. Ich mußte sehr aufpassen, diese hügel nicht zu zerstören.

 

 

Von der touristenanlage waren bereits stimmen und musik zu hören. Etliche leute liefen im seichten wasser umher und warfen sich bälle zu. Ach ja, die badehose hatte ich auch vergessen. Wer denkt schon bei einer bergwanderung ans baden? Das einzige was für mich jetzt zählte war dieser kiosk in form einer strandbar. Entfernung nur noch zweihundert meter.

Mir fiel auf, daß mich die menschen so seltsam anstarrten. Ich winkte ihnen zu. Dabei bemerkte ich, daß meine hände immer noch mit socken und schuhen verziert waren. Ach, wie oft hatte meine mutter in meiner jugend gepredigt: Der erste eindruck eines menschen ist der wichtigste! Beschämt hielt ich inne und brachte diese bekleidungsstücke an die richtige stelle. Doch ich bin es gewohnt, daß mich leute anstarren. Weniger wegen meiner person. Vielmehr sind es die verschiedenen accessoires, welche in form von fotoapparaten, fototaschen und stativen meinem outfit eine besondere note geben.

Ich ging nun schnurstracks auf die strandbar zu, welche von etlichen menschen umringt war. Bei meinem erscheinen wichen die leute ehrwürdig zur seite, als wäre ich ein alien von einem fremden stern. Jetzt endlich: Ein bier! Ich wollte diese einfachen worte aussprechen, doch es gelang mir nicht! Ich konnte nur noch krächzen. Diese stundenlange tropenwanderung hatte meine kehle derart ausgetrocknet, daß ich nur mit mühe normal sprechen konnte. Besorgt fragte der barkeeper:
"Are you o.k.?"
Na, so was! Ich fühlte mich nach dem ersten schluck bier so frisch wie noch nie zuvor. Sogar meine gesichtshaut spannte nach allen richtungen, als hätte ich in einer beauty-farm ein face-lifting durchgeführt.

An der innenseite der strandbar hing eine spiegelwand. Diese hatte den praktischen vorteil, getränke und meer gleichzeitig zu sehen. Auch die leute. Ich sah sogar mich selbst. Aber das war doch nicht ich, oder doch? Eine krebsrote, wasseraufgedunsene fratze blickte mir entgegen, verziert noch mit einem tagelang nicht mehr gepflegten vollbart und tief in höhlen liegenden augen. Oh mein gott, laß mich im sandboden versinken! Irgendwie mußte ich mein image wieder retten. Ich deutete also mit einer hand zu meinem spiegelbild und fragte den baarkeeper:
"It's me?"
Alle leute lachten, und ich wurde im kreise der menschlichen erdenbewohner aufgenommen. Herrlich schmeckte hier das bier. Eine weile plauderte ich mit dem baarkeeper. Er hatte mich schon lange bei meiner wanderung entlang der bucht gesehen und fragte, warum ich kein taxi genommen hätte. Ich versprach, die rückreise mit so einem gefährt zu unternehmen.

Gesagt, getan! Der vom bootsführer genannte fahrpreis ließ mich erschaudern. Das gibt es doch nicht! Normalerweise beträgt doch der fahrpreis nur ein fünftel von seiner genannten summe. Das sei auch richtig, erwiderte der erpresser, wenn das boot mit fünf personen belegt wird. So ein nepp! Ich war wütend! Anscheinend wollte er meine situation schamlos ausnutzen. Aber nicht mit mir!

Lange noch blickte der barkeeper dem einsamen wanderer nach, welcher entlang der bucht teils im wasser, teils im sand langsam dahin wankte. An den händen trug er socken und schuhe, und eine schwere schwarze fototasche hing an seiner leicht geneigten schulter. Irgendwann verlor er diesen menschen vor der heißen, schwarzen felsenwand aus den augen........

 

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