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Sie tauchten von einer weit
ausladenden tischkoralle zur anderen und stöberten unter
diesen umher. Suchten sie vielleicht einen schatz? Ein neugieriger
papageifisch gesellte sich zu uns. Hastig versuchte ich zu fotografieren,
und es gelang mir, ihn in die flucht zu schlagen, ehe ich abdrücken
konnte.
Plötzlich winkte einer
der tauchfreunde ganz aufgeregt mit den armen. Wir tauchten zu
ihm und blickten in ein versteinertes gesicht mit weit aufgerissenen
augen.
Was war los? Fühlte sich
unser tauchfreund nicht wohl, oder hatte er probleme mit seiner
tauchausrüstung? Da streckte er seine hand aus, und unsere
augen folgten der gezeigten richtung.
Jetzt sahen wir alle, was
ihn so erregte. Es war ein kleiner, junger weißspitzenhai,
knapp einen halben meter lang, welcher bewegungslos unter einer
tischkoralle verweilte. Er schlief! Ich bemerkte bei den anderen
tauchfreunden eine aufkommende erregung insofern, daß fast
eine halbe minute lang keiner zu atmen wagte. Ich ebenfalls nicht.
Was wird jetzt passieren?
Es war mein erster hai! Fieberhaft kontrollierte ich die kameraeinstellung
und drehte die blitzgeräte zurecht. Unser tauchführer
gab mir zu verstehen, daß ich ruhig bleiben sollte. Nun
formierten wir uns im halbkreis um den schlafenden hai. Distanz
etwa sechs meter. Mein platz war ganz hinten in der gruppe. |
Also da lag nun das ungeheuer
der meere, welches wegen seiner bestialischen grausamkeit von
allen gefürchtet ist. Das abenteuerliche wesen, welches
in keinem meeresabenteuerfilm fehlen darf. Das geheimnisvolle
wesen, welches unzählige bücher und kinosäle füllt!
Mir kam er recht listig vor
mit seinen kleinen augen und dem spitzen maul. Ich wußte
nicht recht, ob der hai wirklich schlief. Vielleicht wartete
er nur auf einen günstigen zeitpunkt zum angriff, oder suchte
er sich bereits sein opfer aus?
Doch er schlief, was an seinen
ruhenden augen zu erkennen war. Durch diese tatsache mutiger
geworden, wagte ich mich ganz langsam nach vorne. Unsere nerven
waren sehr angespannt. Nur vereinzelt stiegen luftblasen empor.
Meine tauchfreunde warfen sich gegenseitig blicke zu, als wollten
sie auslosen, wer nun den hai einfängt. Vielleicht wurde
schon beschlossen, wie die beute aufgeteilt würde. Die flossen,
die zähne, die haut, all das wären doch ansehnliche
beutestücke dieser aufregenden jagd!
Endlich gab unser unerschrockener
tauchführer das lang ersehnte zeichen: Vorwärts! Langsam,
fast im zeitlupentempo, bewegten wir unsere flossen und tauchten
der beute näher. Sechs, fünf, vier meter war nur mehr
die distanz, als ich mich endlich entschloß, ein foto zu
machen. Vorsichtig hob ich meine schußbereite kamera und
visierte das ungeheuer im fadenkreuz. Bevor ich jedoch den hai
"abschießen" konnte, bemerkte ich im kamerasucher,
daß einer der tauchfreunde den hai anleuchtete. |
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Da ging das inferno los! Mit
einem gewaltigen aufzucken erwachte der hai und machte blitzschnell
eine rundumdrehung, um die lage zu erkunden. Auch wir waren alle
erschrocken und formierten uns wie auf kommando zum rückzug.
Meine kamera löste ich irgendwann in diesen augenblicken
aus. Aber das war nur mehr eine reflexbewegung, ohne zu wissen,
was auf der mattscheibe zu sehen war. Der hai erkannte seine
fatale situation und schwamm unter uns durch.
In diesen augenblicken höchster
erregung war es mit unserer zurückgehaltenen atmung vorbei!
Bei jedem taucher quollen nun gewaltige luftblasen aus dem mundstück.
In diesem gewühl von luft und sand konnte ich nichts mehr
erkennen. Unwillkürlich tauchte ich einige meter nach oben
und sah mich um, ob irgendwo noch der hai umherschwamm. Vielleicht
war es der dunkle fleck, ganz weit weg, welcher sich soeben im
tiefen wasser in nichts auflöste. |
Dann blickte ich nach unten.
Ein grauenvoller anblick! Der boden war im umkreis von fünf
metern vom sand noch ganz aufgewühlt. Am boden lagen etliche
abgebrochene korallenstücke, und das wasser kochte von den
luftblasen der erschöpften taucher. Langsam tauchten wir
auf. Alle hofften insgeheim, doch noch einen hai zu erspähen.
Doch nichts kam mehr in unser gesichtsfeld. Sogar die anderen
fische versteckten sich ängstlich vor uns räuberischen
tauchern.
So endete dieser abenteuerliche
tauchgang an bord unseres bootes mit vielen worten, hallo und
geschrei. Die gesichter meiner tauchfreunde waren nun gelöst
und verklärt, als wenn wir nur mit knapper not einer tödlichen
gefahr entronnen wären.
Ein bißchen schämte
ich mich. |