das märchen vom kleinen hai
 

Es war einmal ein armer, kleiner hai.

Meine leser mögen jetzt nicht verwundert den monitor betrachten. Nein, die folgende geschichte lesen sie in keinem märchenbuch von Andersen oder Grimm. Lesen sie diese geschichte als vorgeschichte zum nächsten kapitel, welches sich tatsächlich ereignet hat.

Apropos märchen. Diese geschichten handeln oft von bemitleidenswerten geschöpfen, auch kleinen und schwachen tieren, welche im laufe der handlung viele abenteuer bestehen müssen, um zu überleben.

Auch diese geschichte handelt von einem kleinen, ungeschützten tier, welches gerade ein jahr alt geworden ist. Ein jahr lang ständig auf der flucht vor größeren artgenossen, um nicht aufgefressen zu werden. Ein jahr lang aufgewachsen ohne mutter, welche ihr neugeborenes nur wegen der ihr von natur auferlegten freßhemmung nicht gleich nach der geburt verschlungen hat.

Unser kleine hai wurde also im roten meer geboren, abgeschieden von den großen ozeanen mit ihren riesenfischen, die für neugeborene eine große gefahr sind. So irrte er ruhelos ein jahr hin und her. Am liebsten folgte er den großen schiffen, welche ihn redlich nährten.

Na, so was! Was hat nun ein schiff mit der ernährung eines haies zu tun? Nun, auf den großen schiffen waren menschen. Viele menschen, manchmal sogar hunderte davon. Und diese hatten so viel zu essen, daß genug davon übrig blieb. Und das warfen sie einfach in das meer! Unser hai war ein anspruchsloser gast. Brav fraß er all diese weggeworfenen speisen auf - bis auf den salat. Na ja, auch die menschen essen lieber fleisch.

Nur die menschen selbst mag der kleine hai überhaupt nicht. Am meisten fürchtete er jene, welche unter wasser mit glasscheiben vor dem gesicht und einem schlauch im mund umhertauchten. Einige hatten auch stäbe in der hand. Diese fürchtete er ganz besonders, denn viele menschen schleuderten diese stäbe ohne grund auf ihn. Einmal hatte so ein spitzer stab dem kleinen hai furchtbar weh getan. Aber unser hai wurde kräftiger und konnte nun schnell davonschwimmen, wenn gefahr drohte. Doch da gab es auch noch menschen mit kästen, welche furchtbar stark aufblitzten. Und das tat den augen sehr weh, denn der hai kann sie ja nicht schließen.

Er lernte also, daß es nicht sinnvoll war, diesen menschen mit ihren schrecklichen waffen zu begegnen. Außerdem schmeckten menschen nach gummi. Einige male hatte er versucht, sich zu wehren. Da biß er furchtlos in einen dieser stäbe hinein. Doch dieser war so hart, daß er dabei zwei zähne verlor. Aber diese wuchsen schnell wieder nach. Bei einem anderen angriff auf ihn wurde der kleine hai von vielen menschen in die enge getrieben. Da mußte er schnell unter einem großen menschen durchschwimmen. Vor lauter zorn biß der kleine hai ein stück von der fußflosse eines menschen ab. Die zähne waren noch ganz, aber das abgebissene stück der flosse schmeckte scheußlich. Schnell spuckte er es wieder aus. So kam es, daß unser kleine hai immer das weite suchte, sobald menschen in der nähe waren.

Soweit das märchen vom armen, kleinen hai. Was nun von dieser geschichte übrig bleibt, ist die tatsache, daß es gar nicht so selbstverständlich ist, an den küsten des vielbetauchten roten meeres, haie zu finden. Die ursache dafür mag doch ein fünkchen wahrheit in diesem märchen sein.

 

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