|
Der große vorteil einer
zweiwöchigen tauchreise ist, daß viele tauchplätze
zweimal besucht werden. So war es auch beim panoramariff. Schon
tage vorher erkundigte ich mich nach dieser entsprechenden ausfahrt,
welche mir bereits einen besonders schönen tauchgang beschert
hatte. Fast zwei stunden dauerte die ausfahrt, bis am horizont
die typische weiße schaumkrone an der offenen seeseite
des riffs sichtbar wurde.
Das panoramariff bei safaga
ist ein auf etwa zweihundert meter tiefe steil abfallendes korallenriff.
Es ist hier besonders wichtig, die technik des richtigen austarierens
zu beherrschen. Kein sandboden trübt hier die sichtweite,
und verstärkt durch die stetige leichte wasserströmung
ist hier das korallenwachstum besonders gut. Mit viel Glück
können hier auch haie und andere große meeresfische
beobachtet werden. |
Mein besonderes interesse
galt dem riesigen gorgonienwald, welcher in etwa dreißig
meter tiefe an der stärker durchströmten seite des
riffs lag. So passierte es mir beim ersten besuch dieses grandiosen
naturwunders, daß ich vor staunen und kampf mit der wasserströmung
kein ordentliches foto machen konnte.
Nach dem anlegen des bootes
an einer der vorhandenen bojen wurde der tauchgang besprochen.
grundsätzlich wird erst soweit hinabgetaucht, wie jede gruppe
möchte. Danach erfolgt gemächlich der wiederaufstieg.
Durch dieses kontinuierliche und langsame auftauchen wird ohne
viel rechnerei eine ausreichende dekompression erreicht. |
|
Gemäß dem obersten
tauchgebot - nie alleine tauchen - wurde mir der sympathische
brite Graham zugeteilt. Er war ein besonders gut aussehender,
aber vorsichtiger tauchführer.
"No risk, more fun!" pflegte er zu sagen.
So kam es, daß er beim anlegen meiner tauchausrüstung
plötzlich zu mir sprach:
"Your equippment is wrong!"
Aha, irgend etwas war also nicht in ordnung. Er bemerkte, daß
bei meinem reserveatmungsgerät kaum hörbar luft entwich.
Da meine ohren nicht dazu geschaffen sind, das gras wachsen zu
hören, bemerkte ich dies natürlich nicht. Es war mir
aber schon früher aufgefallen, daß beim tauchen aus
diesem zweiten mundstück stetig ganz wenig luft ausgeströmt
war, aber war das wirklich so besorgniserregend?
"No risk, more fun!" wiederholte Graham und versuchte
die ursache dieser störung zu finden. Diese könnte
seiner meinung nach ein defekt in der ersten druckreduzierstufe
sein. Wahrscheinlich eine kaputte dichtung. Eine sofortige reparatur
war nicht möglich. So mußte ich für diesen tauchgang
ein anderes atmungsgerät verwenden. Nach dieser unterbrechung
sprangen wir endlich in das wasser.
Unser ziel, der gorgonienwald,
lag in etwa dreißig meter tiefe und fünfzig meter
weit vom boot entfernt. Wir tauchten zuerst auf fünfzehn
meter tiefe hinab und bewegten uns in dieser tiefe in richtung
gorgonien, um luft zu sparen. Es war dies ein erhabenes gefühl
an diesem steilriff ins bodenlose hinab zu tauchen. Kein meeresgrund
war sichtbar. Das wasser unter uns leuchtete tiefblau. Neben
uns stand die über und über mit korallen bewachsene
steilwand. Jeden meter gab es ein noch schöneres fotomotiv.
Ich mußte mich sehr überwinden, hier nicht zu fotografieren
und tröstete mich mit dem gedanken, dieses beim rückweg
in aller ruhe durchzuführen. Also folgte ich brav meinem
tauchbegleiter Graham und deutete mit der hand in regelmäßigen
abständen das o.k.-zeichen.
Allerdings gab es doch ein
kleines problem. Der neue lungenautomat war auch nicht ganz dicht!
Es ging zwar keine luft verloren, doch dafür kam beim einatmen
durch das ausblaseventil des mundstückes etwas wasser herein.
Eigentlich bemerkte ich das schon beim abtauchen. Aber so schlimm
war dieses problem nun auch wieder nicht, und außerdem
heißt es ja, meersalz sei gesund. Also sammelte ich beim
einatmen das einlaufende wasser in der mundhöhle, um es
beim ausatmen wieder hinauszudrücken. Man gewöhnt sich
ja im leben an so vieles. |
So schwebten wir an der riffwand
gemächlich dahin. Schließlich begann das abtauchen
zum gorgonienwald. Unterwegs sahen wir schon einige vorboten
dieser naturwunder. Gorgonien in mittlerer größe etwa
ein meter hoch, welche im wasser wie riesenfächer an der
riffwand hingen. Nein, jetzt noch keine fotos machen, dachte
ich immer wieder. Ich bemerkte, daß auch das wassereindringen
beim Mundstück weniger geworden ist. Vielleicht lag es an
meinem neuen angepaßten atemrythmus.
Da tauchte in der tiefe auch
schon schemenhaft der umriß des riesigen gorgonienwaldes
auf. Bizarr standen die riesenfächer, etwa drei bis vier
meter mächtig, in verschiedenen richtungen auf dem kleinen
riffplateau im wasser. Es schien, als ob für sie das gesetz
der schwerkraft keine gültigkeit hätte. Trotz der tiefe
war hier noch genug licht, um die verschiedenen braunen und gelben
farbtöne dieser fächer zu erahnen.
Vorsichtig näherten wir
uns, und da bemerkte ich auch schon die stärker werdende
wasserströmung, welche um die riffkante floß. Für
das wachstum der gorgonien war es ein idealer platz. Jedoch für
mich als fotograf fast unmöglich, einen festen standort
zu behalten. Ich mußte höllisch aufpassen, von der
strömung nicht in die gorgonien hineingetrieben zu werden
und damit das wachstum von jahrzehnten zu zerstören. Graham,
mein geduldiger tauchpartner, machte mich auf einen weniger durchströmten
standort aufmerksam. Aber dort bekam ich die gorgonien nicht
gut ins bild. Also suchte ich noch einen anderen platz.
Auf einmal packte mich Graham
beim arm und deutete, ich solle mich umdrehen. Ich war bei dieser
unvermuteten berührung so erschrocken, daß ich zu
schnell einatmete und dabei wasser schluckte. Mit einem hustenreiz
im hals drehte ich mich um und erschrak noch einmal, als ich
einem ungeheuer ins gesicht blickte! Nein, es war kein hai. Es
war ein riesiger napoleonfisch, fast einen meter lang, welcher
uns in zwei meter entfernung neugierig beobachtete. Seine großen
augen rollten zwischen mir und Graham hin und her. Offensichtlich
überlegte er, welcher von uns beiden als erster verspeist
werden sollte. Doch napoleonfische, auch ganz große, sind
harmlos. Dennoch bemerkte ich auch bei Graham eine gewisse erregung.
Wahrscheinlich hatte auch er einen solchen riesen hier noch nicht
gesehen. |
|
Was anschließend geschah,
kann ich nur im zeitlupentempo berichten. Als erstes erinnerte
mich das bereits geschluckte wasser an einen riesigen hustenzwang.
Ich holte also noch einmal tief luft, schluckte dabei noch etwas
wasser dazu, und dann begann mein hustenkonzert. Nur keine panik,
war mein einziger gedanke. Ich versuchte langsam einzuatmen und
auch langsam zu husten. Die leser mögen sich darüber
im klaren sein, daß ein atemgerät nur eine begrenzte
atemleistung hat. Das heißt, daß beim starken aushusten
die luftmenge nicht so schnell durch das mundstück hinausgedrückt
werden kann. Ich war mir dieser tatsache zwar bewußt, aber
mein husten gar nicht. So passierte es eben, daß ich dabei
einige male das mundstück verlor.
Wasser hat die physikalische
eigenschaft, die schallwellen um ein vielfaches besser zu leiten
als luft. Das machte sich auch in der lautstärke dieses
hustenkonzertes bemerkbar. Der napoleonfisch hatte bei diesem
getöse mit rollenden augen sofort das weite gesucht und
verschwand auf nimmerwiedersehen. Endlich glaubte ich, mich unter
kontrolle zu haben, als Graham wiederholt meinen arm packte und
mich blitzschnell hochzog. Ich erschrak dabei wieder, holte zu
schnell luft, und so weiter....
Was war denn jetzt schon wieder los? |
Bei diesem unangenehmen intermezzo
merkte ich gar nicht, wie mich die wasserströmung langsam
in richtung gorgonienwald getrieben hatte. Gott sei dank erkannte
Graham die gefahr rechtzeitig und rettete die gorgonien buchstäblich
im letzten augenblick.
Nach diesem zweiten satz dieses
unterwasser - hustenkonzertes konnte ich mich endlich unter kontrolle
bringen. Aber die lust auf fotografieren war verschwunden. Es
war mir sogar recht, daß Graham das zeichen zum langsamen
auftauchen gab. Immerhin befanden wir uns bereits über zehn
minuten in dieser tiefe. Außerdem schrumpfte mein luftvorrat
durch den erhöhten bedarf erheblich.
So bescherte mir auch der
zweite ausflug zu den riesengorgonien am panoramariff keinen
fotografischen erfolg. An bord des bootes warteten bereits die
anderen tauchfreunde auf uns. Alle waren sie aufgeregt, denn
fast jeder hatte den riesigen napoleonfisch gesehen. Auch ich
berichtete von der für mich unglückseligen begegnung.
"Und", wurde ich gefragt, "Hast du auch schöne
aufnahmen gemacht?" |