wieder im roten meer (mai 1993)
 

"Sie haben übergewicht!" lautete die fatale feststellung.
Na so was, dachte ich. Zwei wochen hatte ich sogar gefastet, bis ich merkte, daß doch ein größerer tauchanzug notwendig war. Dazu kamen noch die zweite unterwasserkamera und viele kleinigkeiten, welche vor einem jahr noch nicht in das reisegepäck mußten.

"Ihr reisegepäck hat über dreißig kilo." wiederholte die dame beim check-in am flughafen. Als ob ich das nicht selbst wußte! Aber außer der zahnbürste, zwei badehosen, einige t-shirts, socken, unterhosen und ach ja, das stativ, befand sich wirklich nur das allernotwendigste tauch- und fotozeug im gepäck.

"Ich kann es nicht ändern," erwiderte ich und fragte, ob für das übergewicht gezahlt werden muß. Die freundliche dame tippte an ihrer computertastatur herum und blickte auf den monitor.
"Sie haben glück, daß die anderen fluggäste etwas sparsamer im gepäck sind. Ich wünsche ihnen einen guten flug."

Mir fiel ein stein vom herzen. Nicht jede fluggesellschaft ist so kulant. Aber verständlicherweise darf hier für deutsche charterfluggesellschaften keine werbung gemacht werden.

Ich flog also wieder zum roten meer! Dieses mal nach shams safaga, einem feriendorf etwa vierzig kilometer südlich von hurghada. Der entschluß fiel mir nicht leicht. Weniger wegen der damaligen gemeinen attentate islamischer extremisten, wodurch viele touristen ägypten fernblieben. Aber ich war sicher, daß ein kleines, aber gut bewachtes feriendorf abseits des großen tourismusstromes am nil kein spektakuläres angriffsziel für diese extremisten darstellte.

Meine wahl schwankte zwischen safaga und sham el sheik. Entscheidend war das preis - leistungsverhältnis dieser beiden orte. Und in bezug auf unterwasserwelt konnte ich mir ohnehin keine steigerung im vergleich zu hurghada vorstellen.

Endlich erreichte das flugzeug die küste afrikas. Dunst und staub beeinträchtigten die sicht nach unten, und die wüstenaufnahmen, vom flugzeug aus gemacht, wanderten nach meiner heimkehr als erste in den papierkorb. Nach der landung gab es eine große überraschung. Am flughafen von hurghada war innerhalb eines jahres ein völlig neues, großes abfertigungsgebäude regelrecht aus dem boden gestampft worden.

Bei der ankunft merkte man nichts von der sprichwörtlichen orientalischen hektik, und nach nur zehn minuten (!) abfertigungszeit stand ich vor der tür. Als ich das angenehm kühle gebäude verließ und den über dreißig grad heißen wüstenwind einatmete, kam mir der koffer noch viel schwerer vor. So wehrte ich mich gar nicht gegen die aufdringlichen gepäckträger, denn mit diesem ballast konnte keiner so leicht davonlaufen. Der fünfunddreißig kilo schwere koffer mußte von zwei mann auf das autodach gehoben werden. Dabei rollten die augen der braven muslims ordentlich hin und her.

Am zielort wiederholte sich diese zeremonie noch einmal, und man erwartete entsprechend "schweres" bakschisch. Jetzt aber ganz schnell zur tauchbasis. Trotz meiner eile bemerkte ich dieses mal sehr wohl das viele grün von bäumen, blühenden sträuchern und den gepflegten Rasen. Um diese pracht zu erhalten, gab es ein raffiniertes bewässerungssystem, wobei das wasser mittels verzweigter schläuche unmittelbar zu den wurzeln der pflanzen geleitet wurde. Nach der vierzig kilometer langen wüstenfahrt hierher fühlte ich mich wie im paradies.

 

 

Um drei uhr nachmittags kam ich bei der tauchbasis an. Die türen waren verschlossen. Das darf doch nicht wahr sein, dachte ich und überlegte, was ich nun tun sollte. Eigentlich war mir schon vorher aufgefallen, daß kaum feriengäste zu sehen waren. Ein älterer herr versuchte bei totaler flaute zu surfen, zwei leute lagen unter sonnenschirmen am strand, fünf kellner lungerten in der strandbar herum, und sonst sah ich keine menschen.

Etwas enttäuscht blickte ich herum, als mich eine resche frauenstimme ansprach:
"Willscht du tauchen? Gell, du bischt neu hier! Ich heische Lydia, und wer bischt du?"
Aha, dachte ich. Alles wieder bestens in deutschen händen!

Ich wurde diesmal also von einer netten deutschen aus dem allgäu in empfang genommen. Nach den üblichen formalitäten - ärztliches attest, tauchbuch mit bereits fünfzehn (!) eintragungen - erzählte mir Lydia einiges über die unterwasserwelt bei safaga. Auch hier lagen die riffe etwa eine halbe bis zwei bootstunden vom ufer entfernt. Mit begeisterung erzählte ich von meinem vorjährigen aufenthalt in hurghada.

"Ach in hurghada warscht du. Aber da ischt ja schon schoviel kaputt. Hascht du das nicht bemerkt?"
Wie konnte ich ohne entsprechenden vergleich.

Inzwischen kamen die ersten tauchboote von den ausfahrten zurück. Die tauchbasis füllte sich mehr und mehr mit taucherlatein. Ich wurde mit viel hallo begrüßt, und jemand sagte: "Heute haben wir endlich einen hai gesehen!"
Ich mußte bei dieser bemerkung unwillkürlich schlucken und versuchte, möglichst gelassen zu bleiben.
"Wie groß denn?" wollte ich wissen.
"Vielleicht ein meter", war die ernüchternde antwort.
Immerhin war ich bisher keinem hai begegnet und wußte nicht, wie ich dabei reagieren würde. Es gab noch viel zu erzählen, und wenn davon auch einiges übertrieben klang, wurde mir dennoch klar, daß safaga das wirkliche tauchparadies sein sollte.

 

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