es eilt die zeit im sauseschritt (Wilhelm Busch)
  "Was willst du einmal werden?"
An keinem jungen menschen geht diese quälende frage vorbei. Die meisten wissen es zwei jahre vor pflichtschulabschluß auch noch nicht.
Auch ich wurde eines tages aufgefordert, meinen eltern diese unangenehme frage zu beantworten.
Zu dieser zeit war ich sehr beschäftigt, mich mit den verschiedensten abenteurern wie Old Shatterhand, Tarzan, Perry Rhodan und kapitän Nemo zu identifizieren. Batman und terminator gab es damals noch nicht.

"Taucher" war meine knappe antwort.
 

 

Die Reaktion meiner eltern war ganz normal und natürlich. Meine mutter schlug die hände über dem kopf zusammen, und vater schimpfte :"Der junge liest zu viele schundromane!"

Ah, so ist das also, dachte ich. Da interessiert man sich für überlebensfragen, astrophysik und meeresbiologie und wird als abenteurer abgestempelt.

"Davon kann doch kein mensch leben und eine familie ernähren! Und außerdem ist es viel zu gefährlich!"
Das war mir damals eigentlich ziemlich egal.

Gott sei dank hatten meine eltern zu dieser zeit noch keinen dieser neumodischen flimmerkisten, welche sehr vereinzelt abends die wohnzimmer wohlhabender bürger in blauem licht erhellten. So blieb ich vor dem einfluß noch weitaus gefährlicherer phantasie verschont. Doch mein entschluß stand fest, zudem noch mein vater manchmal von seinen erlebnissen als u-boot maschinist während des zweiten weltkrieges erzählte. Ich war davon derart fasziniert und beschloß, meine zukunft unter wasser zu verbringen.

Meine eltern machten in ihrer not das einzig richtige. Sie ergriffen die flucht nach vorne und schenkten mir zum dreizehnten geburtstag - ein buch. Es war dies ein spannender und lebensnaher bericht über die unterwasserwelt im roten meer, geschrieben von Hans Hass. Wir kommen aus dem meer, hieß der wälzer. In vier tagen hatte ich ihn ausgelesen. Mir wurde bewußt, daß dieser Hans Hass ein sehr gescheiter mensch sein mußte und begann nachzudenken.....
Noch heute bin ich meinen eltern dankbar dafür, daß sie mich mit diesem geschickten manöver in die realität zurückgeholt hatten.

Im laufe der nächsten jahre änderten sich die prioritäten meiner interessen, und ich begab mich auf die reise nach mödling, um an der dortigen höheren technischen lehranstalt "inschinör" zu werden. Dieses falsch geschriebene wort stammt aus meinem ersten volksschulaufsatz, in dem ich schon damals meinen berufswunsch bekanntgeben sollte. Doch wer wird schon die phantasie eines siebenjährigen jungen ernst nehmen? Siegesmund Freud hätte es sicher getan.

So wurde ich also von der vergangenheit eingeholt und hatte auf das tauchen ganz vergessen. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen studium und militärdienst wechselten die prioritäten wieder zu anderen dingen. Man(n) hat doch das gefühl, während der letzten sechs jahre internats- und kasernenhaft etwas versäumt zu haben!

"Es wird zeit, Ernst!" ermahnte mich meine mutter und erinnerte daran, daß ich mit neunundzwanzig immer noch junggeselle war. Immerhin hatten damals einige meiner klassenkameraden bereits die erste scheidung hinter sich.

"Es wird zeit, Ernst!" sagte bald darauf meine frau Herlinde und erinnerte an die bevorstehende geburt unseres ersten kindes. Vor der heirat verbrachten wir eine schöne zeit des kennenlernens und ein anstrengendes jahr des hausumbaues bei meinen zukünftigen schwiegereltern. Das darauffolgende jahr war ebenfalls schön und vor allem ruhig. Mit einunddreißig wurde ich endlich stolzer familienvater. Zwei jahre darauf gesellte sich zu unserer tochter Birgit ein sohn Claus.

 

 

Wir waren also rundum glücklich und zufrieden und genossen 1987 unseren ersten großen familienurlaub im damaligen jugoslawien an der istrischen küste. Mein erster aufenthalt an einem meer lag bereits vierzehn jahre zurück. Damals an der atlantikküste in marokko konnte ich mich mit dem dortigen kalten und manchmal verschmutzten wasser nicht anfreunden. Um so mehr überraschte mich diese saubere, warme adria an der kroatischen küste.

Ich begann zu schnorcheln.

Es vergingen weitere vier jahre, in denen wir immer wieder an der kroatischen küste unsere urlaube verbrachten, immer an einem anderen ort. Inzwischen konnte ich schon vierzig (!) sekunden unter wasser tauchen. Am meisten faszinierte mich dabei diese herrliche schwerelosigkeit. Eines tages stand mein entschluß fest, und ich sagte zu Herlinde:

"Ich möchte tauchen, lernen!"

Nein, meine frau hat keine hände über dem kopf zusammengeschlagen. Irgendwie ahnte sie bereits meine gedanken, zudem ich einige zeit vorher entsprechende literatur kiloweise angeschafft hatte. Auch Herlinde tat in dieser situation das einzig richtige. Sie schenkte mir zum einundvierzigsten geburtstag - ein buch. Es war dies wieder ein spannender bericht - von Hans Hass. Vorstoß in unbekannte meere, hieß es. In nur zwei tagen las ich es während einer grippeerkrankung aus.

Nun, deutlicher konnte mich das schicksal nicht herausfordern, und ich nahm diese aufforderung an.
Wie meine geschichte weiterging, ist in diesem buche niedergeschrieben.

Allerdings ist ein buch schneller gelesen als geschrieben! Da ich zeile für zeile selbst schrieb, war auch entsprechend zeit dafür notwendig. Zeit, welche ich mehr oder weniger meiner frau und meinen kindern gestohlen habe.

Ich bin Herlinde sehr dankbar dafür, daß sie dafür viel verständnis aufgebracht hat. Birgit, inzwischen dreizehn geworden, kann es kaum erwarten selbst tauchen zu lernen. Claus tröstete sich in dieser gestohlenen zeit mit videofilmen. Allerdings fiel mir auf, daß er während meiner "schöpferischen phase" wiederholt einen ganz bestimmten film ansah. Es war dies der film: 20.000 meilen unter dem meer!

 

 © 2000 e.pokorny